23./24.11.2023, Osnabrück
Produktion und Transformation von Räumen der Migration
Mit dem Thema der diesjährigen Tagung des AK Geographische Migrationsforschung
möchten wir den Kern der spezifisch geographischen Sichtweise auf Migration ins Zentrum rücken: den Zusammenhang zwischen Migration und Raum.
In der Migrationsforschung werden Räume in unterschiedlicher Weise konzeptualisiert und untersucht (z.B. Glasze & Pott 2014). Schematisch lassen sich zwei Perspektiven auf Räume der Migration unterscheiden, die sich in der Forschung nicht selten überlappen.
Eine erste, eher klassische Perspektive interessiert sich dafür, wo und wie sich Migration räumlich äußert, etwa in Bewegungsmustern zwischen bestimmten Herkunfts- und Zielregionen, an konkreten Orten wie Städten, Nachbarschaften, Grenzen, Transitzonen oder Lagern, oder auch durch die Herausbildung transnationaler Netzwerke (z. B. Müller 2020; Schäfer & Henn 2022). Im Kontext von gesellschaftlichen, politischen oder ökonomischen Dynamiken und Krisen lassen sich Transformationen solcher Räume der Migration feststellen, die in den letzten Jahren z.B. im Zusammenhang mit der Covid19-Pandemie, mit der Digitalisierung oder vor dem
Hintergrund von Fluchtbewegungen diskutiert wurden (z.B. Dempsey 2020; Collins 2021).
Eine zweite, stärker konstruktivistische Perspektive nimmt die Raumproduktionen in den Fokus, die den beobachteten räumlichen Mustern, Orten oder Netzwerken zugrunde liegen. Dies lenkt die Aufmerksamkeit darauf, wie solche Räume der Migration durch raumbezogene Unterscheidungen und Bedeutungszuschreibungen produziert werden: etwa durch territoriale und symbolische Grenzziehungen (van Houtum & van Naerssen 2002) und die Aufladung von Orten mit Bedeutungen, z.B. als ‚problematische‘ oder ‚produktive‘ migrantische Quartiere (Rodatz 2012) oder als offen vs. feindlich gegenüber Geflüchteten (Hinger et al. 2016). (Re-)produziert werden Räume der Migration in öffentlichen, politischen oder massenmedialen Diskursen (Germes & Glasze 2010), durch diverse Organisationen und ihre raumbezogenen Praktiken, Kategorien und Repräsentationen (wie staatliche Behörden, Unternehmen, Vermittlungsagenturen etc.) (Lang 2022; Verfürth 2022), aber auch in individuellen
Raumimaginationen nicht zuletzt von Migrant:innen bzw. Personen, denen Migrationsbezug zugeschrieben wird, selbst. Auch die (Migrations-)Forschung ist an solchen Verräumlichungen von Migration beteiligt, wenn etwa „Herkunfts-” und „Zielregionen” beobachtet und benannt werden oder spezifische städtische Quartiere oder ländliche Räume als Untersuchungsorte ausgewählt werden.
In der zweitägigen AK-Tagung stellen wir deshalb – mit Blick auf beide Perspektiven und ihre Wechselwirkungen – die Frage der Produktion und Transformation von Räumen der Migration in den Mittelpunkt. Gemeinsam möchten wir unter anderem die folgenden Themen und Fragen diskutieren:
- Aushandlungen von Räumen der Migration: Welche Akteure, Faktoren und
Konstellationen sind an der Herausbildung von Räumen der Migration beteiligt?
Welche Rolle spielen Prozesse auf unterschiedlichen Maßstabsebenen und wie sind
diese verbunden? - Transformationen von Räumen der Migration: Welche Veränderungen von Räumen
der Migration lassen sich beobachten? Welche Räume gewinnen oder verlieren an
Bedeutung in Bezug auf Migration? Wer ist Treiber von Veränderungsprozessen?
Welche Rolle spielen verschiedene Organisationen, insbesondere auch Unternehmen,
und sich ändernde politische, rechtliche und ökonomische Kontexte? - Raumproduktionen und die gesellschaftliche Bedeutung von Migration: Wie wirken sich
raumbezogene Diskurse, Repräsentationen und Imaginationen auf die
gesellschaftliche Wahrnehmung, Thematisierung, Problematisierung – oder auch De-
Thematisierung und Normalisierung – von Migration aus? - Wechselwirkungen zwischen Raumproduktionen und der „physisch-räumlichen“
Dimension von Migration: Wie hängen raumbezogene Diskurse, Repräsentationen und
Imaginationen mit (beobachteten) räumlichen Bewegungsmustern und Herkunfts-,
Ankunfts- oder Transitorten von Migrant:innen zusammen? Wie können solche
Wechselwirkungen konzeptionell erfasst und empirisch erforscht werden? Wie können
klassische und konstruktivistische Perspektiven auf Räume der Migration
zusammengedacht und verknüpft werden? - Wissenschaftliche Wissensproduktion: Welche Rolle spielt die (Migrations-)Forschung
in der Produktion von Räumen der Migration? Welche Verräumlichungen nehmen wir
als Forscher:innen vor und welche Folgen hat dies für das Verständnis von (Räumen
der) Migration?
Der Arbeitskreis bietet ein Forum, um abgeschlossene sowie laufende Forschung in
informeller Atmosphäre zu diskutieren. Für Vortragsangebote (auf Deutsch oder Englisch) können Abstracts von max. 250 Wörtern bis zum 31.7.2023 an Philip.Verfuerth@uos.de eingereicht werden. Besonders freuen wir uns über Einreichungen von Promovierenden. Die Tagung wird in Präsenz in Osnabrürkc stattfinden.
Christine Lang und Philip Verfürth für das Osnabrücker Organisationsteam
Institut für Geographie
Universität Osnabrück
Seminarstr. 19a/b
49074 Osnabrück
Kontakt bei Fragen zur Tagung:
Christine.Lang@uos.de
Philip.Verfuerth@uos.de